News vom 22.01.2014

 

Der Fall Prokon - Was sollten Anleger jetzt tun? Welche Verantwortung trägt Politik und Aufsicht?

 

Schon am 31.01.2011 hatte Achim Tiffe im NDR vor den Risiken bei Genussrechten von Prokon gewarnt. Ebenfalls zu dieser Zeit gab es Warnungen von Stiftung Warentest und der Verbraucherzentrale Hamburg, die gegen Prokon wegen irreführender Werbung vorging.

 

 

Die damalige Einschätzung:

 

"In der Tat zeigt erst das Studium der kleingedruckten Genussrechtsbedingungen: Die versprochenen acht Prozent gibt es nur, solange die Prokon-Windparks auch entsprechend Gewinne machen. Denn wer in Genussrechten anlegt, erwirbt kein Eigentum, sondern nur eine Beteiligung an einem eventuellen Gewinn. Geht Prokon pleite, ist auch das Geld der Anleger weg: Genüsse werden bei Insolvenz zuallerletzt bedient, anders als bei Aktien haben die Anleger kein Stimmrecht, sie dürfen nicht einmal zur Gesellschafterversammlung. Wenn Prokon in Probleme kommt, dann hilft auch keine "Rückkaufgarantie", mit der die Firma wirbt. "Wir sind hier im Grauen Kapitalmarkt", sagt Achim Tiffe vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen. "Wir haben hier keine Einlagensicherung, die greift, wenn das Geld weg ist.""

NDR vom 31.01.2011; siehe: http://archive.is/zyEpZ.

 

 

Dass Verbraucher im Zweifel keine Genussrechte bzw. Genussscheine erwerben sollten, hat folgende Gründe:

  • Üblicherweise handelt es sich um eine Schuldverschreibung, die nicht von der Einlagensicherung gem. § 1 EAEG und auch nicht von anderen Sicherungseinrichtungen mit umfasst wird.
  • Eine Teilnahme am Verlust ist regelmäßig vorgesehen.
  • Auszahlungen erfolgen nur, soweit ein Gewinn erwirtschaftet wird.
  • Mitbestimmungsrechte werden üblicherweise ausgeschlossen.
  • Weitere Kreditaufnahmen sind nicht ausgeschlossen, da Genussrechte als Eigenkapital behandelt werden können.
  • Im Fall einer Insolvenz verlieren die Inhaber von Genussrechten in der Regel ihr eingesetztes Kapital, da üblicherweise Nachrangigkeit vereinbart wird.
    Selbst beim Verkauf der dann noch vorhandenen Sachwerte kann dann das eingesetzte Kapital verloren sein, da Banken und andere Gläubiger vorrangig bedient werden.

 

Insbesondere der zu Beginn verwendete Vergleich mit einem „Sparbuch“ war bei der Werbung für Genussrechte der Prokon Unternehmensgruppe daher irreführend (siehe Urteile erstritten von der Verbraucherzentrale Hamburg). Angesprochen wurden private Haushalte damals mit: „An die Sparfüchse des Hauses“. Geworben wurde mit Begriffen wie „Rentabel“, „Flexibel“ und „Einfach“.

 

 

Der eigentliche Fehler liegt bei der Politik und der Finanzaufsicht.

 

Wie konnte es dazu kommen, dass ein Unternehmen bei privaten Anlegern, sprich Verbrauchern, fast 1,4 Milliarden Euro einsammeln konnte, ohne dass Politik und Aufsicht reagierte, obwohl es frühzeitig Warnhinweise gab? Werden wir uns weiterhin von Finanzskandal zu Finanzskandal bei Verbrauchern hangeln, während die Politik und die Aufsicht wegsehen?

 

In der letzten Legislaturperiode sollten die unternehmerischen Beteiligungen besser geregelt werden, um Finanzskandale in Zukunft zu vermeiden. Die Folge war ein Ausweichen der Branche von unternehmerischen Beteiligungen im Bereich erneuerbare Energien weg von Formen wie der GmbH & Co. KG, die als unternehmerische Beteiligung einfach erkennbar waren, hin zu Genussrechten mit scheinbar festen Zinsversprechen, die den Verbrauchern fast alle Rechte nahmen und die Renditeaussichten beschnitten, dafür aber faktisch alle Risiken bei ihnen beließen. Angesprochen wurden damit paradoxerweise auch Verbraucher, die Aktien und unternehmerische Beteiligungen als zu risikohaft mieden. Der feste Zins und vermeintliche Garantien wirkten wie Festgeld bei der Bank oder Sparkasse. Die Werbung tat ihr Übriges. Zudem wurde das Thema Nachhaltigkeit und Energiewende ausgeschlachtet.

 

Es war schmerzhaft anzusehen, wie trotz der Warnungen in der Öffentlichkeit ein Unternehmen wie die Prokon Unternehmensgruppe über eine Milliarde Euro bei Verbrauchern einsammeln konnte, ohne dass dem etwas entgegensetzt wurde. Die Werbung lief weiterhin zur besten Sendezeit im Fernsehen, hing in U-Bahnen und wurde flächendeckend an Privathaushalte per Post verteilt.

 

Der eigentliche Fehler liegt daher in der Politik. Dass man Geldanlagen von Verbrauchern über den Weg über Genussrechte in der Vergangenheit nicht näher reguliert und kontrolliert hat, war ein politischer und aufsichtsrechtlicher Fehler, den viele Verbraucher spüren werden.

 

 

Achim Tiffe zum Thema Prokon und Genussrechte 2011/2012:

 

NDR 31.01.2011:   Prokon: Windige Werbung fürs gute Gewissen?

STERN 30/2011 S. 94/95:   Windige Versprechen [Online nicht frei verfügbar]

Technology Review 09/2012 / Heise Online:   Riskante Geschäfte mit dem Wind